Editorial |
D ie Nächte werden länger, die Tage kürzer und wie das Laub die Wiesen bedeckt, verschwinden die Enduros unter Abdeckplanen oder in Garagen um den wohlverdienten Winterschlaf anzutreten. Nicht so im malerischen Karlsfeld bei München, wo eine aktive Gruppe von Geländesportenthusiasten sich rings um Leichtathlet, Zehnkämpfer und MX-Piloten Peter Oberbauer schart, um in Italien ihrem Offroadhobby nachzugehen. Jüngste Verstärkung sind zwei Novizen, Basti Pfeiffer und Konsti Meyer die sich schon im Frühjahr 2004 mit dem vielzitierten Offroadvirus "Morbus Crossus" infiziert hatten und mehrmals auf dem Trainingsgelände des Freisinger Bärs (die Rede ist von "Hallbergmoos") gesichtet wurden. Damals noch auf Leihgaben ihrer Gönner Peter und Volker (beide auf Yamaha YZ426F, Volker außerdem mit KTM 620 SC/SM und Peter ebenfalls auf KTM 540 EXC und Honda CR250R) angewiesen, haben die Newbies mit Yamaha TT 350 (Pfeiffer) und Honda CR125R (Meyer) aufgerüstet. MX-Revue hat das Team bei ihren Anstrengungen in Norditalien und Po-Ebene beobachtet. |
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Anreise |
Letztere wurden dann auch am geplanten Zwischenstop in Wörgl auf-, ebenso diverse Leichtmetallkoffer (darunter der "Elektrokardiograph" von dem später noch die Rede sein wird) mit Sportlernahrung wie 5kg Pasta, zahllosen Gläsern Nudelsoße, Rotwein, Käse, Hartwurst, Milch und Joghurt sowie weiteren Teigwaren, Lebkuchen und Milchbrötchen samt Küchen- und Kochgeschirr angefüllt. Das in Österreich zunächst noch diesige Herbstwetter klarte nach der Brennerpassage, die mit der schon aus den von diversen Italienprojekten (s. auch Mantova '99 und Cremona 2003) hinreichend bekannten und obligatorischen Bruce-Springsteen-CD gebührend begrüßt wurde, zusehends auf - wie auch die Gesichter der übermüdeten Piloten Peter und Volker, die die Vorhut formierten. Konsti und Basti samt Eltern wollten am Wochende um den 30. November in Cremona dazustoßen. Leider hatte die Po-Ebene mit dichter Nebelsuppe aufzuwarten, demensprechend gestaltete sich die Ankunft am umfassend neugestalteten "Circus Motocross Mantova" etwas frostig. |
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Mantova |
So hatten die zwei Piloti auch ihren Obulus (je 17 EUR) entrichtet, ziemlich schnell den richtigen Dreh raus und ließen es - nach kleineren Bedüsungsänderungen an Peter's CR - ordentlich krachen. Besonders angetan waren sie von den zwei neuformierten Sprüngen in einer weitgeschwungenen Linkskurve unmittelbar nach dem Zieltable. Wer hier seinen inneren Schweinehund überwand und den Flug ins Ungewisse wagte, wurde mit einem deftigen Adrenalinkick belohnt. Volker, noch sichtlich unausgeschlafen, patzte im Anlieger gleich drei Mal und mußte jeweils in die 90-Grad-Schräglage - ohne Schaden an Mensch und Maschine. Anschließend schien das Fahrwerk immer irgendwie unstimmig und auch der Lenker war offenbar entweder nach rechts oder links verdreht, jedoch nie mittig: Untrügliches Zeichen, den Einstandstag mit kulinarischen Genüssen aus der olivfarbenen "Elektrokardiograph"-Kiste (die aus Bundeswehrbeständen stammte), zubereitet auf dem Campingkocher, zu beschließen. Einige Blechtassen italienischen Rotweins später legte sich auch die muskuläre Anspannung und der Beschluß stand fest, es am nächten Tag mit durchgeführtem Grundsetup und intensiven Aufwärmübungen besser zu machen.
Dergestalt aufgewärmt und mit frisch kalibriertem Fahrwerk ging es dann auch schon deutlich besser - speziell durch die Sektion mit den Whoops und einige etwas ausgefahrene Anlieger - auch Peter Oberbauer war inzwischen ausgesprochen flott unterwegs. Sogar so flott, daß er es fertigbrachte, seinem rot-blauen Fuhrpark die Speichen gleich reihenweise zu lockern. Schließlich kamen die zwei Sportler noch mit einem italienischen Duo ins Gespräch, das sein Lager unmittelbar neben dem VW LT aufgeschlagen hatte. Es wurde gefachsimpelt und auch Motorräder getauscht. Das kleine Mißverständnis bezüglich der Zweitaktmischung (1:40 bzw. 2.5%) klärte sich schnell und es wurde wieder einmal klar, wie sehr ein Hochleistungszweitakter von der korrekten Auswahl der Auspuffbirne profitiert. Die italienische CR250 desselben Baujahrs zierte nämlich ein Produkt von FMF, das speziell im unteren und mittleren Drehzahlbereich für spürbar mehr Schub sorgte. Zum Einbruch der Dunkelheit waren auch die letzten Runden mit der Helmkamera absolviert, Fahrer samt Fahrzeuge einer Generalreinigung unterzogen und mit respektvollem Wehmut beim Abschied von der "Mutter aller Crosspisten" auf der Volker anno 1999 mit Honda XR600R erstmals seine Sporen verdient hatte, ging es Richtung Montegrotto, in deren Thermenlandschaft ein wenig Wellness und Entspannung anstand. |
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Montegrotto |
Als lebensrettend erwies sich eine Familienpackung mit 24 "Original Nürnberger Oblaten-Lebkuchen" - es geschah das Unvermeidliche: Rechtzeitig zur Ankunft in Montogrotto war der Karton leer und die Mägen vom pappsüßen Zeugs etwas flau. Grund genug, nach der Moppedentladung den mitgebrachten Wok anzuheizen und ein deftiges Menü auf die Blechteller zu zaubern. Morgen, soviel stand fest, würde es einige Bahnen im campingplatzeigenen Schwimmbad und rechtschaffenes Faulenzen im heißen Whirlpool geben.
Zum Ausgleich sind wir etwas geradelt. Volky ist ein Tier auf dem Bike und ich kann ihm dort nicht die Stirn bieten wie im Abgasstrahl der Spaßartikel. Daher verzichtete ich nach einer 45km Bergtour lieber auf weitere hinternquälende Aktivitäten (Ich gebe zu, mein Radl ist optimierungsbedürftig im Bezug auf Po- und Ausdauerverhalten). Volky stürmte die nächsten Tage immer wieder die Berge und ich widmete mich lieber dem alljährlichen BMW-Touring-Extrempolishing: Dem Auto meiner Eltern."
Der kommende Dienstag sollte dann aber endgültig im Zeichen der Erholung stehen, schließlich handlelte es sich bei dem Projekt "Novemberitaly" ja um Urlaub und kein Trainingslager für Motocrosswahnsinnige. Diesen Plan setzten unsere zwei Urlauber dann auch prompt in die Tat um, es wurden mehrere Kilometer Strecke auf den Bahnen des Schwimmbades zurückgelegt und im Whirlpool die Muskeln ordentlich durchmassiert. Nur den mitgebrachten Schwimmbrillen war zu verdanken, daß sich zu den Schwimmhäuten nicht noch rote Kanininchenaugen gesellten - das Wasser der Therme ist eher leistungsfeindlich heiß und stark schwefel- und mineralhaltig. Tags darauf stand Crosstraining im unweiten südwestlich liegenden Montagna auf dem Programm und voller Vorfreude verstauten Peter und Volker ihre Maschinen im Bauch des LT. Leider hatte es wohl dort über Nacht deutlich intensivere Niederschläge gegeben, sodaß die Piloten vor verschlossenen Türen standen und umkehren mußten. Ein Wink des Schicksals wollte es, daß auch zwei italienische Fahrer dieses Los teilten und den hilfreichen Tip "Albèttone" gaben. |
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Albèttone |
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So konnte "Morbus Crossus" also erst am Donnerstag wieder zum Ausbruch kommen, die Motorräder erneut verladen und der Diesel gestartet werden. Peter: "Nachdem Montagnana uns wegen zuviel Nässe versetzt hatte, zogen wir nach Albettone - eine Bergstrecke die wir noch nicht kannten. Sie war ganz nett, aber nicht unbedingt die Alternative zu den Strecken die wir sonst ansteuern. Steinig, am Hang, mit Wellen die einen weit in die Ebene katapultieren. Wir haben es dokumentiert und uns bei Vino am Abend die "Flights" und "Drifts" im elterlichen Wohnwagen angesehen. Mein Vater kommentierte unsere Begeisterung und Johlen mit "wie kleine Kinder", was bei Weiten nicht übertrieben war." Die Piste von Albèttone ist im Vergleich zu Mantova eher erdig-steinig, liegt zwischen zwei Hängen eingebettet und glänzt mit einigen Steilstauf- sowie abfahrten und separater Endurostrecke. Nach Entrichten der 12 Euro Platzgebühr ergaben einige Testrunden, daß das Fahrwerk für diese Art Belastung deutlich unterdämpft war. Speziell die zahlreichen harten Bodenwellen und einige Bergabkuppen machten eine Abstimmung auf der härteren Seite der Grundeinstellung notwendig. Nun gab es zwar immer noch einige harte Stöße in Handgelenk und Unterarm aber zumindest die Durchschläge und das nervige "Kopfschütteln" der Front waren Vergangenheit. Da die Staubentwicklung auch bei diesem Turn nahezu Null war, boten sich auch hier einige Runden mit der Helmkamera an. Es zeigte sich bei der Kontrolle des Videomaterials erneut die altbekannte Tatsache, daß bei korrekter Fahrweise selbst deftigste Sprünge und Schläge kaum Einfluß auf den Oberkörper haben, die Strecke wird durch Gabel, Federbein und Oberschenkelmuskulatur geradezu glattgebügelt.
Genau das Gegenteil war jedoch der Fall und Volker verkrümelte sich alsbald in seinem Schlafsack und auf die Ladefläche des LT während "Open-Air-Camper" Peter sich satt und zufrieden auf seinen Schaffellen zusammenrollte. Unglücklicherweise traf die Wettervorhersage für die Region Padova mit nahezu minutiöser Präzision ein und ein stetes Rauschen auf dem GFK-Dach des Transporters erinnerte beständig daran, was unsere zwei Urlauber am morgigen Tag erwarten würde...
Lustig war es und die junge Bedienung Cristina schüttelte nur noch den Kopf über die bestellen Getränke. Aus dieser Laune heraus wurde die 'Table-Idee' in der Dunkelheit und Romantik einer italienischen Crossstrecke geboren. Geboren, getan." |
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XXX |
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Crotta |
Der nächste Morgen brachte - dank Alkohol im Blut und Benzindämpfen im VW-Bus - einen saftigen Brummschädel, sonniges Wetter und die Ankunft der Motocrossnovizen Basti und Konsti samt Anhang. Leider war in Cremona, da es die gesamte Nacht weiter geregnet hatte, "Land unter" und deswegen bliebt die "pista motocross" auch bis auf weiteres "chiuso", weswegen wie besprochen ins unweite Crotta umgesiedelt wurde. Auch dort hatte man mit dem nassen Element zu kämpfen, zog die Strecke aber kurzerhand mit einem XXL-Rakel ab und nach einigen etwas gewöhnungsbedürftigen Schlingerpartien trocknete es aber zusehends, sodaß sehr zur Freude der Anwesenden mächtig am Quirl gedreht und etliche schnelle Runden absolviert werden konnten.
Leider war die Euphorie nur von recht kurzer Dauer: Ein beständiger Trommelwirbel auf dem Dach des wackeren LT kündigte an, was nach einer traumreichen Nacht am frühen Morgen traurige Gewißheit wurde: Die Regenfront hatte uns eingeholt und die gesamte Gegend in eine braune Seenplatte verwandelt. Ein Wunder, daß die draußen abgestellten Bikes nicht im Schlamm umgekippt waren.
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November 2004, vb |
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