Enduro


Senftenberg 1997

(Letztes Update: 21.02.2008)
Bericht · Bildergalerie

Friß den Sand, Du Ratte

oder: Wie die XR das Fliegen lernte

Liebe Enduristi (und Sympathisanten) in der d.r.m. !

Jetzt sitze ich also wieder hier vor meinem Computer, den Kopf noch voller Erinnerungen an ein Kurz-Wochenende (SO und MO) im inzwischen schon legendären "Enduroland Senftenberg", etwa 150 km von Berlin entfernt und knapp 500 km nördlich über den Weißwurstäquator hinaus.

Für die ganz eiligen Leser unter euch hier eine Kurzzusammenfassung der Geschehnisse:

Neugierig ? Hier also die Langfassung im gewohnt objektiv-subjektiven, legären, respektlosen Erzählstil:

Freitag, 17.10. In enthemmter Vorfreude packe ich schon meine Sachen um eine perfekte Vorbereitung auf ein Motorradwochenende zu garantieren. Die gängigen Verschleißteile für eine kleine Ausfahrt wie

sind flugs gepackt und nebst Schlafsack, Isomatte, einem Träger Bierchen, Ersatzunterhose [falls mal was in die Hose geht.... ;-) ] in Rucksack und Sporttasche verstaut.

Samstag, 18.10. Der Wecker klingelt um 7:00. "Jaaaaaaaaa, es kann losgehen". Ich springe in die vorbereitete Hose-Socken-Schuh-Kombination, haste zur Dose und ab......... in's MPI, wo mir meine Chefs einen Samstagsdienst am "Tag der offenen Tür" auf's Auge gedrückt hatten. Sh*t. Jeder brennt jeden her und ich darf nicht dabei sein...

Dan's Posting ("Neues aus SFB", "Seenplatte", "Schlammwüste") sticht wie ein Messer in mein Enduristenherz. Neun lange Stunden harre ich noch aus. sp_02.jpg Dann im Eiltempo Richtung Telefon, die LT-Crew zusammengetrommelt (Pete und Kathrin), Treffpunkt bei mir, XRs und Virago (cooles Foto !) verladen und auf die Dosenbahn. Bis auf einige heitere Intermezzi [wir halten auf dem Standstreifen eines Autobahnzubringers an, um ein Poserbild sp_03.jpg vor den Flakscheinwerfern eines bekannten Möbelriesen zu machen und werden prompt von der hiesigen, sächsissprechenden Obrigkeit nach etwaigen Problemen befragt. Nachdem die Moppeds kritisch beäugt wurden (Motocroß, hmmm) dürfen wir unbehelligt weiterfahren... Beim Versuch eine Unterführung gegen 23:30 verbotswidrig zu durchfahren springen ebenfalls einige Ordnungshüter hervor und wir können die in der Leerung befindliche "Red-Label"-Buddel gerade noch rechtzeitig tarnen. In der sich entspinnenden Diskussion erfahren wir zunachst die aktuellen Bundesliga-Spielergebnisse und werden dann (weil's ohnehin schon wurscht ist) mit einer Wegbeschreibung und guten Wünschen durch's "Einfahrt verboten" durchgewinkt...] verläuft die Fahrt ereignislos.

sp_08.jpg sp_14.jpg Wer nun SO morgens gegen 1:00 die Hölle im "Enduroland Senftenberg" erwartet, sieht sich bitter enttäuscht.

Die Ankunft des Teambusses wird wohlwollend ignoriert... Beim Versuch, die Bungalows des "d.r.m. SFB Contest-Teams" zu kontrollieren, stoße ich nahezu mit einem extrem unausgeschlafenen (versoffenen) Kay zusammen, der "mal kurz nach dem Rechten" sehen will. Begrüßungsritual. "Dich brenn' ich her, Alter..." Morgen dann also...

Ein kleiner Nachttrunk (2 Weizen, 1 Pils, tiefe Schlucke aus dem Red- Label) runden die Nacht ab und bescheren süße Träume.

Sonntag, 19.10. sp_05.jpg Gegen acht Uhr beginnt unser Unterkunfts-LT plötzlich heftig zu schlingern. Sollte es gestern doch etwas viel gewesen sein ?!? Nein ! Halb d.r.m. rüttelt an festen und beweglichen Teilen. Wir wollen sündigen !! Die Croßklamotten sind schnell übergestreift, die Sonne lacht wie selten im Oktober (hat wohl auch ein Crosserherz) und es setzt eine allgemeine, hektische Betriebsamkeit ein.

img0003.jpg sp_26.jpg Kay hatte sich (wie mir mitgeteilt wurde) schon tags zuvor seinen Namen als "Idol der Sonntagscrosser" durch Mehrfachfraktur-Wheelies und Steilauffahrten verdient. sp_22.jpg Mein warmer Pirelli Tourenschlapfenreifen wird vor Ort (Sonntag !) gegen einen DuneMaster getauscht. Mein favorisierter Barum StonekingCroß war leider ausverkauft.

Einige Runden im Aufwärmpacours sind schnell gedreht [ein Wegrutscher von Peter (Gas it) O. endet im Gejohle der Zuschauer], es geht ab zur ersten Steilauffahrt. img0020.jpg img0021.jpg Unter den unbestechlichen Augen von Manfreds Videocam krame ich meine gesamten Enduro- und Motocroßkenntnisse hervor. Das Resultat ist sehenswert: Eine Spurrille lenkt mich vom rechten Weg der Tugend ab, ich zelebriere eine dezenten Sturz hangabwärts. Pflatsch. Schlamm drüber... sfb_2_05.jpg Um mit den Anforderungen zu wachsen, stähle ich meinen stahlhart durchtrainierten Köper mit Beinübungen um den abgesoffenen Motor der XR wieder zum Leben zu erwecken. Der nächste Auffahrtsversuch gelingt, keiner hat's gesehen, da sich die Meute schon Kilometer weiter amüsiert...

Voller Motivation und todesmutig beschließe ich, sofort zum Tagesgeschehen, d.h. zu roten Runde überzugehen - ein fataler Fehler, der für weiteres Amüsement gut ist: Bei der Vollgasattacke einiger deftiger Bodenwellen läuft mir die XR aus dem Ruder, ich schlage mit dem linken Hebelprotektor in einer bereitstehenden Birke ein. sfb_2_06.jpg Der Baum reflektiert mich ungerührt zurück auf die rechte Seite, die Moppedachse in elegantem 90-Grad-Winkel zur Körperlängsachse. "Noch ist nichts verloren !", denke ich bei mir und versuche die Pendelbewegungen als menschlicher Schleppsack zu unterbinden. Vergeblich. Ich streife noch einige Bäume und liege ein weiteres Mal weich und dezent im Dreck. Schäden ? Keine ! Nur das Ego und die Hebelprotektoren haben Kratzer abbekommen.

sp_36.jpg "No risk - No fun !". Weiter geht's. Durch Steilauffahrten, die kaum eine Handbreit Luft zwischen Lenker und die tief in den Schlamm gefrästen Durchfahrten lassen - der straffer Viertaktsound der XR treibt mich voran. sfb_2_04.jpg Einige Fast-Abflüge, Verspringer, am-Gas- Hängenbleiber runden den Auftritt ab. Puh ! Gut, daß die Ersatzunterhose im Gepäck ist... ;-)
Auf der Kay-Gehrke-Gedenkgeraden (die seinen >100 km/h-Abflug verursachte) stelle ich einen neuen, persönlichen Geländegeschwindigkeitsrekord auf. Unglaubliche 110 km/h !! "Jetzt bloß locker bleiben...".

Auf der Geraden fällt mir jetzt zum ersten Mal der leicht schiefstehende Lenker auf. "Sh*t !!! Sollte er sich tatsächlich..... Kann gar nicht sein !! Der ist doch von Renthal !". Egal. Weiter. sfb_2_01.jpg Ein weiterer Sturz an einer Steilauffahrt (mein Lenker ist offensichtlich breiter als der Durchschnitt) verkeilen sich die Enden im Lehm - meinem Vortrieb wird ein jähes Ende bereitet und der Dekohebel bohrt sich beim Salto schmerzhaft in meinen rechten Oberschenkel. "Autsch !". Nix passiert ! Ein Fußtritt befreit die XR und "justiert" den Lenker um den selben Betrag in Gegenrichtung. "Aha. Die Gabelklemmschrauben !". Ein Boxenstopp verschafft Klarheit. Es sind die Gabelklemmschrauben. Sie waren zu locker. Trinkpause, Besprechung. Weiter geht's. sfb_2_03.jpg Diesmal auf die zweite Hälfte der blauen Route. Hier schlängelt sich der Weg lustig um engstehende Birken, zwischen flach aussehenden (gell, Dominic !) Spurrillen und große Steine (Kniiiiiirsch ! "Hallo Motorschutz ! Schön, daß du da bist...") herum. Einfach geil. senf01gr.jpg Im Schlamm (und Tiefsand, wie sich später herausstellen sollte) schiebt der DuneMaster so mächtig über das Vorderrad (MT21), das Lenkbewegungen besser mit den Füßen als mit dem Händen eingeleitet werden wollen. Gewöhnungsbedürftig aber saubequem, wenn man den Bogen raushat...

Zum Mittagessen gibt's Tortellini und KäseSchinkenSahnesoße vom Chef de la Cuisine (Kathrin - Riesendankeschön !) mit Salat und Bieren im Freien bei sommerlichen Temperaturen. Ich kann nicht widerstehen und gebe meinen gestählten Luxusoberkörper der d.r.m.-Lächerlichkeit preis. sp_27.jpg Nach dem Verdauungsnickerchen drängt mich Peter "jetzt mal endlich zur Sache", d.h. zu einer roten Umrundung zu kommen. Wir sammeln Dominic Tanner ein, der uns mit seiner Kati "herbrennen" will und begrüßen einen sichtlich erschöpften aber überglücklichen Manfred H. der sich seine Sporen auf der CR250 redlich verdient hat.

sp_21.jpg Ich: "Na, Manfred, wie war's ?"
img0030.jpg Handi: "Geil. Ich sag's dir, einfach geil. Die Kurven, geil. GeilGeilGeilGeil. Fährt sich wie ein Fahhrad - nur noch geil. Geil. Und überall dieser Schlamm. Der totale Waaaaaahnsinn. Ich find's geil.".

Er scheint's genossen zu haben. Wieder ein Infizierter mehr...

sp_20.jpg img0028.jpg

Los geht's zu "Madness Pursuit Tour" bei der nach "Vollgas" erst lang nichts und dann wieder "Vollgas" kommt. Wir geben uns einige rote Abstecher, sehr zum Vergnügen von Dominic, dessen Kati wieder mal "stärker ist als er". Eine heitere Highspeedverfolgung, wir trennen uns am Y-Berg um uns oben auf dem Dammweg wieder zu treffen. senf02gr.jpg Nach einiger suche laufe ich auf Dominic auf, der seine KTM in einem "harmlosen" Schlammpfützchen ca. 80 cm tief versenkt hat. Um diesem Schicksal zu entgehen, fräse ich mich erstmal vorbei (und spende Dominic die ersehnte Abkühlung) und lehne die XR an einen bereitstehenden Baum. Mit vereinten Kräften wird die Kati wieder flottgemacht. senf13gr.jpg Zum Abschluß des Tages verbrennen wir die restliche Tankfüllung in einem erst kürzlich zugeschütteten Tagebau und fühlen uns wie Seth Enslow in den Dumont Dunes (wer "Crusty I" kennt...). Auch meine XR paßt sich an und wirft prophylaktisch schon mal den hinteren rechten Blinker ab... Egal. DM 9,90 beim Heini. senf23gr.jpg Noch ein paar Fotos und dann geht's in der Abenddämmerung Richtung Parkplatz. Noch ein paar Waschbretter die das Federbein durchschlagen und mein Glockenspiel zum Klingen bringen.

"Uff. Geschafft !". Das linke Schienbein nebst Wade schmerzt etwas - ein kurzer Routinecheck zeigt einen deutlichen Abdruck einer XR-Fußraste -, die Blasen an Daumen und Zeigefinger sind abermals größer geworden... Zu medikamentösen Behandlung nehme ich Alkohol.

Plötzlich ein heftiger Knall. Kurz danach Rufe: "Kommt alle her, ein Unfall !!".
Wir rennen was das Zeug hält, klettern über den Zaun und sehen uns einem Bild der Verwüstung gegenüber. Eine 1.4l- Japandose ist beim Überholen mit überhöhter Geschwindigkeit auf das Bankett geraten und mit einem Baum kolliert. Der nichtangeschnallte Fahrer wurde auf das Bahngleis der gegenüberliegenden Straßenseite geschleudert, die Beifahrerin mit schweren Schädel- und möglichweise auch Wirbelsäulenverletzungen aus dem Wrack geborgen. Der qualmende Motorblock liegt weit von der Restkarosserie entfernt im Gebüsch - wie von einer Riesenfaust herausgerissen. Vorderachse, Räder, Batterie und weitere Wrackteile sind über Quadratmeter verstreut. Manfred hat schon im Laufen einen Rettungshubschrauber herbeitelefoniert, zahlreiche Enduristen kümmern sich um die Verletzten und die Beseitigung der Trümmer während die am Weiterfahren gehinderten Dosentreiber nur wie Kühe glotzen.

Nach unglaublichen 5 Minuten trifft der Rettungshubschrauber ein. Kurz danach Rettungswägen, Feuerwehr und Notarzt. Die Verletzten werden übergangslos weiterbetreut. Mein großes Lob gilt allen, die zur Rettung beigetragen haben. Wenn - wie sich am Ende der Aktion abzeichnet - die Insassen weitestgehend unbeschadet überleben werden, dann ist das der Hauptverdienst der schnellen Reaktion vieler beherzter Motoradfahrer. Saubere Arbeit Jungs und Mädels, Respekt !

Die Aufregung das Tages drückt uns alsbald die Augen zu. Ein-zwei Beruhigungstrunks, lange Gespräche und die wohlverdiente Nachtruhe...

Chrrrrr... Chrrrrr... Chrrrrr... Chrrrrr... Chrrrrr... Chrrrrr...

Montag, 20.10. Der Tag begint grau in grau. 10 Stunden Schlaf haben mir nicht gutgetan. Das Kreuz ist steif, die Wade verhärtet. Beim Frühstück entscheiden wir, zu bleiben. Senftenberg läßt uns nicht los. sp_28.jpg sfb_2_01.jpg Die Moppeds werden betankt, die Rüstungen übergestreift. Kathrin ist auf der CR250 mit von der Partie. Ihr erster Geländeauftritt. Und das in SFB. Meine Hochachtung !

sfb_2_02.jpg Nach einigen kleinen Runden und Stürzen zum Aufwärmen geht's wieder in die Sandgrube (Fahren auf losem Untergrund !) und dann zu den Steilauffahrten rings um den Y-Berg. 36 Farbbilder im Kasten sprechen eine deutliche Sprache. Peter meistert die Herausforderungen mit Bravour, ich scheitere mit Kraft. sp_34.jpg Viel Feind, viel Ehr' ! Kathrin schlägt sich wacker, kämpft gegen sich, den inneren Schweinehund und die Tücken des Zweitakters. In meiner Abwesenheit führen ebendiese zu einem spektakulären "Hillclimbcrash": Das Gas bleibt hängen, der Zweitakter dreht blitzschnell hoch und läßt eine auf dem Rücken liegende, verdutzte Fahrerin zurück.

Nix passiert. Wir schlagen einige weitere Kapriolen, graben z.B. die XRs im Aufwärmpacours bis über die Schwinge ein und vollführen kleine Kunststücken... Es ist Zeit zum Aufbruch ! Nach ausgiebiger Totalreinigung der Moppeds (die Bremsen quietschen zum Steinerweichen) packen wir den Bus und lassen das Enduroland mit einem wehmütigen Mischung aus Erinnerung und Abschied hinter uns - möglicherweise der letzte Besuch für dieses Jahr...

sp_24.jpg Ein Telefonat mit Kay bringt es an's Tageslicht: Allen juckt es schon wieder in den Fingern, alle wollen wir zurück und haben Heimweh. Heimweh nach Senftenberg !

Mein besonderer Dank gilt:
Kathrin (Küche), Peter sowie
den Berliner Sonntagscrossern und
dem gesamten d.r.m.-Enduroteam