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Sonntagscrosser im Knast?Daß es sich beim Motorradfahren um einen gefährlichen Zeitvertreib handelt weiß heutzutage jedes Kind. Umso riskanter wird es, wenn man sich bewußt Extremsituationen aussetzt - sie geradezu sucht: Ob im Straßenrennsport oder im Geländesport ist hierbei bekanntermaßen relativ unerheblich.Ganz andere, unvermutete Gefahren drohen einem bislang unbescholtenen Enduristen, wenn er durch seinen Aufenthalt abseits befestigter Wege - sei es nun fahrlässig durch mangelnde Kenntnis des Sachverhalts oder gar vorsätzlich - in Justizia's Mühlen gerät. An einem fiktiven Beispiel soll eine Situation und die sich daraus ergebenden Konsequenzen geschildert werden. Das Unheil könnte allwöchentlich auf wohlbekannten Plätzen im Münchener Umland seinen Lauf genommen haben. In diesem Zusammenhang sei auch auf die Erklärung [0] hingewiesen. |
19.04.1998 |
Nehmen wir also an, die Münchener Sonntagscrosser - hier zur
Vereinfachung V, M und S genannt (Fhj
E's und OG S's Auftritt ist später, sie seien der
Vollständigkeit halber hier bereits erwähnt, ebenso wie der
Richter R und der RA A) hätten sich zu einer
kleinen Exkursion auf die unweite sog.
Panzerwiese entschlossen.
Sonntags, gegen 14:00 treffen sie am Ort des Geschehens ein und beginnen alsbald mit der Geländeertüchtigung. Die Kaskadeurkunststückchen werden selbstverständlich auf Celluloid und Magnetband gebannt. Als V einem dringenden Bedürfnis nachgeben muß und sich seiner Rüstung sowie des Videomaterials entledigt, passiert das Unerwartete: Die Feldjäger E und S stoßen durch den der U-BahnStation Kieferngarten zugewandten Eingang zu dem Häufchen Enduristen. Per Pedes. M kann sich mit seiner CR500R noch in Sicherheit bringen, S muß auf seinem Kraftrad verbleiben - neben ihm die verwaiste Honda. V, der in sicherer Entfernung aus seinem stillen Örtchen das Treiben verfolgt, spekuliert auf einen Rückzug der Sicherheitskräfte und wartet zunächst einmal ab. Die Situation spitzt sich unerwartet zu, als Feldjäger E zur Halterfeststellung der kennzeichenlosen XR die Polizei zur Hilfe ruft. Das ist das Stichwort für V. Er entledigt sich seiner verräterischen Kleidung, schlüpft in die mitgebrachten Wechselklamotten und geht dem Tatort auf einem großzügig bemessenen Umweg entgegen. Inzwischen ist die Honda allerdings schon - ohne V's Wissen gestartet und von S auf Kasernengelände verbracht worden, wovon ersterer durch die Polizeibeamten in Kenntnis gesetzt wird. V nimmt daraufhin die von den Ordnungshütern angebotene Mitfahrgelegenheit in die Kaserne gerne wahr und wird vor Ort von den Wachhabenden E und S zu Personalien und Tathergang befragt. Selbstverständlich will sich V nicht selbst belasten und gibt daher zu Protokoll, seine Honda zu Testzwecken einem Bekannten überlassen zu haben. Das genügt den Feldjägern und sie willigen ein, die Maschine - nach Beibringung des amtlichen Kennzeichens - wieder aus der Kaserne zu entlassen. Der kontaktierte S überbringt denn auch das ersehnte Schild und die zwei Übeltäter können am Abend dieses ereignisreichen Tages das Kasernengelände wieder verlassen. |
07.10.1998 |
Am 7.10.98, also exakt zwölf Tage vor Ablauf der für derartige
Ordnungswidrigkeiten vorgesehenen Verjährungsfrist [1] von sechs Monaten geht V ein
Schreiben der Wehrbereichsverwaltung VI zu, in dem es auszugsweise
heißt: [2]
Nach Brainstorming im IRC und Rücksprache mit Anwalt A entschließt sich V sich zunächst überhaupt nicht zur Sache zu äußern. Die Androhung des Erlaß eines Bußgeldbescheides bleibt hier ohne Wirkung, da sich hier erneut die Möglichkeit einer Äußerung zur Person und zum Tathergang ergibt. Leider wird durch obigen Anhörungsbescheid die Verjährungsfrist gehemmt - eine Tatsache, die später noch Bedeutung erlangen wird. Sicherheitshalber erteilt V A Handlungsvollmacht für ein etwaiges Nachspiel. |
01.04.1999 | Erneut pünktlich fristgerecht, dieses Mal sechs (!) Tage vor Ablauf der Verjährungsfrist erreicht V der ersehnte Bußgeldbescheid per Postzustellungsurkunde. Auf diesem - mehrfach kopierten und in schlechtem Zustand befindlichen Dokument heißt es sinngemäß: [3] |
12.04.1999 | Die Aussicht auf sechs Wochen Erzwingungshaft beeindrucken V denn dann doch. Er sucht RA A auf und schildert den Sachverhalt. Gegen die Bußgeldsache wird somit am 12.04.1999 Widerspruch eingelegt: [4] |
23.04.1999 |
Am 23.04.99 wird V ein Auszug aus der Ermittlungsakte
zugestellt. In dieser Meldung über Verstoß gegen §114
OWiG (abermals bereits mehrfach vervielfältigt und in
ähnlich schlechtem Zustand) wird der Sachverhalt sinngemäß wie
folgt geschildert: [5]
Dem Dokument lagen ein fotokopierter Lageplan des Truppenübungsgeländes bei auf dem offensichtlich in rot (!) der Verbleib bzw. die Fundstelle des Motorrad eingetragen werden sollte. Weiters ein Verfügungsbogen zur Anhörung mit dem üblichen, handkorrigierten Namensschreibfehler bei V und Beiblättern zu den Zeugenaussagen der Soldaten S und E. |
13.10.1999 |
Am 13.10.1999 - diesmal exakt zehn Tag vor Ablauf der
hierfür vorgesehenen Frist - scheint ein Ende der Odyssee in Sicht.
Vom Amtsgericht München, Abt. für Straf- und
Bußgeldsachen erreicht V eine Ladung (lasergedruckt und per
Postzustellungsauftrag), das in der Bußgeldsache zur Verhandlung
über den Einspruch einen Termin am Montag, den 8.11.1999 anberaumt.
Ort der Verhandlung ist das Justizgebäude in der Nymphenburger
Straße 16, Raum A 117/I.
Im Text heißt es außerdem, etwaige zusätzliche Zeugen, Beweismittel und Sachverständige für die Hauptverhandlung seien vorher schriftlich anzuzeigen. Auf einem Beiblatt sind als Zeugen die Feldjäger E und S sowie als sonstige Beweismittel der Bußgeldbescheid aufgeführt. |
08.11.1999 |
Am Montag, den 8.11. erscheint V bereits 15 Minuten vor der
Zeit vor dem Gerichtssal. Ein kurzes Gespräch mit RA A
klärt den Sachverhalt. V bringt außderdem zum Ausdruck,
es handele sich bei der Bemerkung in der Ermittlungsakte
[5]
[...] gab zu, sich [...] auf dem StoUbPl aufgehalten zu haben. [...] handele es sich um eine reine Unterstellung. Derartiges habe er damals nicht ausgesagt. Nachdem R hereinbittet, betreten V und A den Gerichtssaal. E und S (E inzwischen Leutnant, S Stabsunteroffizier) nebst einiger Schaulustiger sind bereits anwesend. Nach der Personalienfeststellung und der Belehrung, die Beteiligten seien auch ohne der in Bußgeldsachen unüblichen Vereidigung zur wahrheitsgemäßen Aussage verpflichtet - vorsätzliche Falschaussagen könnten u. A. mit mehrmonatiger Freiheitsstrafe geahndet werden, werden die Zeugen E und S entlassen. Nach Verlesung der Beweismittel nimmt V das Angebot, sich zur Sache zu äußern, bereitwillig an und gibt zu Protokoll, sich zum fraglichen Zeitpunkt nicht am fraglichen Ort aufgehalten und das auch bei der Vernehmung in der Kaserne zu Protokoll gegeben zu haben. Das fragliche Kfz sei wohl unbestreitbar am - aus den Unterlagen nicht näher zu entnehmendem Ort abgestellt gewesen. Die Zeugen E und S werden hereingerufen und bestätigen auf Hinweis R's die Einlassung V's. V habe damals ausgesagt, einen Bekannten das Kraftrad zu einer Testfahrt überlassen zu haben. Er selbst sei nicht auf dem Übungsgelände angetroffen worden. Daraufhin gibt R zu bedenken, daß nach den eigenen Aussagen der Zeugen V nicht für die angesprochene Ordnungswidrigkeit zur Verantwortung gezogen werden könne. Für die Ermittlung des Fahrers bzw. eine erneute Beweisaufnahme sei es inzwischen zu spät. R verkündet folgerichtig auch die Einstellung des Verfahrens und deutet an, die Kosten seien von den jeweiligen Parteien selbst zu tragen. A wirft daraufhin ein, V könne dieses Verfahren, das sich schon über mehr als ein Jahr unter akribischer Ausnutzung der Verjährungsfristen hinzieht, finanziell nicht angelastet werden - die Fehler bei der Beweisaufnahme seien schließlich nicht seine Schuld. Darüber hinaus habe V keine Rechtsschutzversicherung - die Kostenverteilung sei bitte erneut zu prüfen. Nach eingehendem Studium einschlägiger Paragraphen räumt R ein, eine Belastung der Staatskasse sei vertretbar - immerhin ginge es hier ja um "Pfennigbeträge". Nachdem V mit einer Einstellung des Verfahren einverstanden ist, erklärt R die Verhandlung für geschlossen und läßt zwei enttäuschte Feldjäger auf der Zeugenbank zurück. V bedankt sich noch bei A und wird informiert, das auch von anwaltschaftlicher Seite keine zusätzlichen Kosten auf ihn zukommen. Eine Neuaufnahme des Verfahren sei darüberhinaus unmöglich. |
Fazit |
Wir sind nun am Schluß unseres fiktiven Rundgangs durch die
juristischen Verstrickungen angekommen, in die sich jeder
aktive Geländesportler verfangen kann, der außerhalb der
zugelassenen Gebiete seinem Hobby nachgeht. Das vorgenannte
Beispiel könnte man durchaus als Exempel interpretieren, daß
seitens der Verwaltungsbehörde der Bundeswehr an einem
Störenfried statuiert werden sollte.
Es kann also nur dazu geraten werden, es wenn irgend möglich nicht erst soweit kommen zu lassen und sich dem Zugriff durch korrektes Verhalten frühzeitig zu entziehen. Ist das Kind bereits in den Brunnen gefallen, hilft eine eingehende Analyse der Beweislage und -aufnahme (von Schuldanerkenntnissen bzw. freiwilligen Aussagen über die Angabe von Personalien hinaus sollte daher vor Ort in jedem Falle abgesehen werden) und die Lokalisierung möglicher Schwachstellen. Eine (Verkehrs)Rechtsschutzversicherung hat in diesem Zusammenhang noch nie geschadet und vermittelt in Fällen wie dem obigen ein ruhige(re)s Gewissen. In den Knast kommt man - um den Untertitel dieses Dokuments aufzugreifen - also so schnell nicht. Natürlich ist die Basis für ein entspanntes Miteinander der gesunde Menschenverstand. Wer im Naturschutzgebiet mit seiner Enduro Gräben zieht, braucht sich nicht wundern. Es heißt - wie so oft - "Wo kein Kläger - da kein Richter". In diesem Sinne sei allen Enduristen, (Sonntags)Crossern und Trialfahrern eine unterhaltsame, sturz- und bußgeldfreie Saison 2000 gewünscht. Euer Volker. |
Dokumentenverzeichnis
Haftungsausschluß [0]
Die im obigem Text namentlich erwähnten oder angedeuteten Personen sind frei erfunden. Jegliche Ähnlichkeit mit lebenden oder verstorbenen Personen, mit existierenden Marken, Firmen, Orten oder Sachverhalten wäre unbeabsichtigt und somit rein zufällig. Der Autor lehnt jegliche Rechtspflicht, die sich aus einer Nichtbeachtung der vorstehenden Erklärung ergeben könnte, vorgreifend und rückwirkend ab.
Verjährung [1]
Es handelt sich hier um den §114 des Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten (OWiG) - hier das unerlaubte Einfahren bzw. der unerlaubte Aufenthalt in einem Sperrgelände - das nach §117 OWiG geahndet werden kann.
Anhörungsbogen [2]
Wehrbereichsverwaltung VI * 80632 München
E I N S C H R E I B E N
Eilsache !
1) Notwendigkeit der Beachtung entfällt, falls eine Verwarnung wegen einer Ordnungswidrigkeit beigefügt ist und der Betroffene mit ihr einverstanden ist.
Anhörung zu einem Bußgeldverfahren 1)
Sehr geehrter Herr V [Schreibfehler],
nach den hier vorliegenden Ermittlungsergebnissen fuhren Sie am Sonntag, 19.04.98 vor 18:00 mit dem Motorrad, amtl. Kennzeichen [...], in das Gelände des Standortübungsplatzes München ein und hielten sich dort unberechtigt und damit widerrechtlich auf.
Damit haben Sie gegen die Vorschrift § 114 des Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten (OWiG) verstoßen und den Tatbestand einer Ordnungswidrigkeit erfüllt. Die Ordnungswidrigkeit kann mit einer Geldbuße nach § 117 OWiG geahndet werden.
Deshalb habe ich ein Bußgeldverfahren gegen Sie eingeleitet.
Ich gebe Ihnen nach § 55 OWiG Gelegenheit, sich auf der Rückseite der beigefügten Mehrausfertigung dieses Schreibens bis zum 10.11.1998 zu der Angelegenheit zu äußern. Dabei steht es Ihnen frei, auf die Beschuldigung einzugehen oder nicht zur Sache auszusagen (Angaben zu Nr. 3).
Sofern Sie zum Aufenthalt in der o.a. militärischen Anlage berechtig waren, bitte ich um Vorlage des entsprechenden Berechtigungsausweises, zumindest in Ablichtung.
In jedem Fall - auch wenn Sie die Ordnungswidrigkeit nicht begangen haben - sind Sie aber verpflichtet, die Fragen zur Person vollständig und richtig zu beantworten (Angaben zu Nr. 1). Die Verletzung dieser Pflicht ist nach § 111 OWiG mit Geldbuße bedroht.
Sofern Sie sich nicht zu der Beschuldigung äußern, kann ohne weitere Anhörung zur Sache ein Bußgeldbescheid gegen Sie erlassen werden. Falls Sie sich zu der Beschuldigung äußern, wird unter Berücksichtigung Ihrer Angaben entschieden, ob das Verfahren eingestellt oder ohne weitere Äußerung der Verwaltungsbehörde ein Bußgeldbescheid erlassen wird.
Hochachtungsvoll
Im Auftrag
RA H
Bußgeldbescheid [3]
Wehrbereichsverwaltung VI * 80632 München
- Mit Postzustellungsurkunde -
Bußgeldbescheid
Sehr geehrter Herr / Frau V
[erneuter Schreibfehler - dieses Mal handschriftlich korrigiert]
(kurze Widergabe des Sachverhalts)
Am Sonntag, 19.04.98 vor 18:00 mit dem Motorrad, amtl. Kennzeichen [...], in das Gelände des Standortübungsplatzes München ein und hielten sich dort unberechtigt und damit widerrechtlich auf.
Dies ergibt sich aus (Beweismittel: z. B. Akteninhalt, Einlassung, Zeugen)
den Beobachtungen des Fahnenjunkers E und des Obergefreiten S, Feldjägerdienstkommando München, Ingolstädter Straße 240c, 80939 München.
Sie haben [X] vorsätzlich [ ] fahrlässig den Tatbestand einer Ordnungswidrigkeit nach §114 des Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten (OWiG) erfüllt.
[...]
NAch §131 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 OWiG in Verbindung mit §17 Abs. 1 und 2 OWiG setze ich deshalb gegen Sie eine Geldbuße fest von 150,--
Sie haben außerdem die Kosten des Verfahrens zu tragen (§§105, 107, Abs. 1 und 3 OWiG i. V. m. §§464 Abs. 1, 465 der Strafprozeßordnung):
Gebühren: 25,--
Auslagen: 11,--
Bußgeld und Kosten betragen insgesamt: DM 186,-- [hier ein Rechenfehler, mit TippEx korrigiert und überschrieben]
[...]
Falls sie [...] die Zahlungsfrist [nicht] einhalten [...] wird der fällige Betrag zwangsweise beigetrieben. Auch kann das Amtsgericht gegen Sie Erzwingungshaft bis zur Dauer von sechs Wochen anordnen. [...]
Einspruch [4]
Wehrbereichsverwaltung VI * 80632 München
[...] Hiermit zeige ich an, daß V von mir anwaltlich vertreten wird. Vollmacht wird nachgereicht.
Namens und im Auftrag meiner Mandantschaft lege ich gegen den Bußgeldbescheid E i n s p r u c h ein.
Einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung widersetze ich mich.
Um Terminsverlegungsanträge zu vermeiden, bitte ich, den Hauptverhandlungstermin telefonisch mit der Kanzlei abzustimmen.
Ich bitte um Akteneinsicht.
Ermittlung [5]
Sachverhalt (ggf. s. Anlage)
Der Betroffene meldete sich auf dem FjgDstKdo, nachdem die
FjgStf das Krad der Marke Honda (amtl. Kz [...]), das ohne
Kennzeichen [!] auf dem StoÜbPl abgestellt worden ist.
nals der Fahrer die FjgStf erkannte ins DstKdo
verbracht hat. V identifizierte das auf ihn zugelassene
Krad und gab zu, sich damit auf dem StoUbPl aufgehalten zu
haben.
[Unterschrift, Name, Dienstgrad]
Mein besonderer Dank gilt:
Stefan Henkelmann,
Michi Reiter,
Rainer Tschauder,
der Anwaltskanzlei Dr. Cichon & Partner (089/139946-0),
den Fhj Eberle und OG Salwender sowie
dem gesamten [ENDURO] und IRC/#RRR-Team.
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